Rückblick Pfeffi.
https://www.lvz.de/sport/regional/1-fc- ... 7JVN4.htmlBeim 1. FC Lok Leipzig war Sascha Pfeffer Vereinsikone und Kapitän, dann folgte der unrühmliche Abschied. Mit seiner offiziellen Verabschiedung hatte der 37-Jährige schon gar nicht mehr gerechnet. Im Gespräch mit der LVZ blickt er auf 17 Jahre Profitum.
Georg Meyer
03.09.2024, 12:04 Uhr
Leipzig. Sascha Pfeffer geht es gut. Wie so viele Sportler vor ihm hat auch er mit den Tücken des neuen Tagwerks zu kämpfen. Generell sei es „das Wichtigste, dass es der Familie gut geht“, so der dreifache Vater: „Ich genieße das neue Leben, was sicherlich einen Tick flexibler als sonst und nicht mehr an Trainings und Spiele gebunden ist.“ Freie Zeiteinteilung, wie etwa „Urlaubsflüge in den Herbst- oder Pfingstferien, das war früher ja nie in der Form möglich.“ Der langjährige Lok-Kapitän, der in satten 158 Pflichtspielen für die Probstheidaer seinen Körper malträtiert hat, „vermisst das alles natürlich auch – keine Frage. Der Tag musste ja irgendwann kommen, aber dann war es doch zu plötzlich.“
Vieles ist nun neu im Leben des Sascha Pfeffer, aber so ganz ohne das runde Leder würde er wohl eingehen wie eine Primel. Deshalb kam die Möglichkeit, beim Landesligisten TSV Blau-Weiß Brehna weiter seine Töppen schnüren zu können, wie gerufen. Auch wenn die „kleine Tochter manchmal ratlos fragt, warum der Papa denn abends noch zur Arbeit (Training) gehen muss – das versteht sie noch nicht.“ Es verstehen wohl auch sonst nur wenige. Nur die, die den Sport wirklich lieben, wissen genau, dass Pfeffer keineswegs muss, sondern will. Er liebt es, „den Fußball noch mal aus einer anderen Sicht kennenzulernen.“
Eine Perspektive, die ihm im schnelllebigen Profigeschäft verborgen blieb. Pfeffer war „16, 17 Jahre immer als Profi unterwegs - da hieß es immer, du musst, du musst, du musst.“ Im Amateursport spielen, trainieren, pfeifen und betreuen hingegen nur Menschen, die wirklich wollen: „Die gehen von früh bis abends arbeiten, haben Familie und leben trotzdem alle für den Fußball und geben ihr letztes Hemd für den Verein – das finde ich sensationell.“
Späte Verabschiedung
In Brehna scheint Sascha Pfeffer in einen Jungbrunnen gefallen, spielt zusammen mit Freund und ehemaligem Mitspieler Paul Schinke die Niederungen der Sachsen-Anhalter Ligenpyramide schwindelig. Bei dem über Jahre aufgebauten, blinden Verständnis reiche „ein kurzer Blick, dann weiß er, wo der Ball hin soll.“ Auch geschäftlich läuft es wie geschnitten Brot, beide machen gemeinsam in Solar. Die spielerische Fackel darf Pfeffer nun sogar familienintern weiterreichen: „Ich spiele mit meinem Neffen (Jeremy Pfeffer) zusammen, den der Verein im Sommer verpflichtet hat. Das ist ganz lustig, er geht mit 18 in das erste Männerjahr. Generell macht es richtig Spaß, wir haben viele junge, sehr lernwillige Leute.“ Fußball total, Liga egal.
Am vergangenen Sonntag fand mit einjähriger Verzögerung nun doch die verdiente letzte Huldigung einer großen Karriere statt. Pfeffer selbst würde das Wort nie in den Mund nehmen. „Oliver Kahn hatte eine Karriere, ich hatte eine Laufbahn“, stellt er klar. Vieles ist schiefgelaufen damals, als Pfeffer nach dem Pokalsieg gegen den Chemnitzer FC in die Nacht entschwand und fortan nie mehr gesehen ward: „Ich war schon etwas traurig und enttäuscht darüber, wie alles abgelaufen ist. Der Verein und ich selbst haben da beide unsere Aktien dran, in ruhigen Minuten hat man traurig darüber nachgedacht. Dass es keinen Abschied gab, das war schon hart. Gerade weil ich sechs Jahre lang immer Gas gegeben habe und mein Herz auf dem Platz gelassen habe. Ich bin immer bis ans Limit gegangen, obwohl mein Körper von Verletzungen gezeichnet war.“
Weiterhin keine Aussprache mit Ex-Trainer Civa
Als Pfeffer die Anfrage erreichte, gegen seinen „Heimatverein und Geburtsort Halle“ geehrt zu werden, war er zunächst überrascht: „Ich hatte gar keinen Druck gemacht und eigentlich schon ein bisschen mit der Sache abgeschlossen.“ Umso erfreulicher war der imposante und „absolut hochemotionale Rahmen“ mit über 8000 Fans, der Pfeffer gezeigt hat, „dass ich doch eine ganz gute Meinung über mich im Verein und Umfeld hinterlassen habe. Ich hätte mir keine bessere Bühne wünschen können.“
Das alles gilt nach wie vor nicht uneingeschränkt für das Verhältnis zum ehemaligen Lok-Trainer Almedin Civa. Beide hatten seinerzeit unvereinbare Positionen über die mittelfristige Zukunft Pfeffers als Spieler sowie die korrekte Definition von Wertschätzung. „Es ging dabei nicht um das Finanzielle, sondern die extrem enttäuschende Art und Weise, wie es von Alme damals rübergebracht wurde“, sagt Pfeffer. Zwei Männer mit großen Egos und konträren Ansichten sind im Fußball nichts Neues und schon lange kein Grund für zähflüssige Schlammschlachten. Mit „Alme würde ich mich jetzt auch wieder an einen Tisch setzen, ich bin kein nachtragender Mensch“, sagt Pfeffer.
Kritischer Blick hinter die Fassade
Auf der anderen Tischseite wird dann ein Mann sitzen, der gar nicht so gegensätzlich gepolt ist. Beide entzweite einst der naturgegebene Unterschied zwischen Vorgesetztem und Angestelltem. Der eine ist dem großen Ganzen verpflichtet, der andere befindet sich in der fortwährenden Tunnelfahrt sportlicher Individualziele. Beide eint der unbändige Ehrgeiz. So verwundert es nicht, dass die vergangene Zeit und der ehrliche Blick nach innen den alten Wunden bereits Milderung verschafft haben: „Ich hätte es sicherlich anders und kommunikativer lösen können. Zu seinem Abschied habe ich Alme eine Nachricht geschickt und mich für die Zeit bedankt, die wir hatten, wir sind Männer genug. Sollten wir uns noch mal irgendwo sehen, dann schauen wir uns in die Augen und geben uns die Hand – und gut ist.“
Die kritische Sicht hinter die Fassade der Schönmalerei des Fußball-Geschäfts war Pfeffer schon seit jeher zu eigen: „Es hat mich schon immer gestört, dass im Fußball meistens jemand anderes über dein Schicksal entscheidet. Egal, wie gut oder schlecht du bist, da kannst du machen, was du willst. Irgendwann kam dann der Punkt, als ich sagte: ICH entscheide mein Schicksal, ICH werde den Vertrag nicht verlängern und die aktive Profilaufbahn an den Nagel hängen.“ Bei der nivellierten Einschätzung oft überhitzter Situationen hatte Pfeffer Hilfe: „Ich habe von einem früheren Mitspieler, Marc Hensel, gelernt, dass man seinen inneren Frieden finden muss - ich habe den schnell gefunden, sonst hätte es einen aufgefressen.“
Rückkehr zum 1. FC Lok nicht ausgeschlossen
Nach „all den Jahren und dem ganzen Geschinde“ steht für Pfeffer nun erstmal die Beseitigung der Spuren einer langen sportlichen Laufbahn im Vordergrund: „Ich muss mich demnächst einer Umstellungsosteotomie unterziehen, das Knie wird dabei wieder in der Achse begradigt.“ Klingt böse, ist es auch: „Danach ist man etwa sieben Monate raus, auch mit dem Amateurfußball wird es sicher schwer.
Gedanken über die Zukunft macht sich Pfeffer zuhauf, auch eine Rückkehr zur Loksche ist nicht ausgeschlossen – als Trainer? „Natürlich wäre das in der Zukunft irgendwann ein Thema. Ich habe meine B-Lizenz aufgefrischt, bin gerade dabei, die Unterlagen für B+ einzureichen. Dann wird sich zeigen, ob mir das Spaß macht und ich mich ausleben kann – sicherlich erst mal im Jugendbereich. Ich habe viele Erfahrungswerte, die ich weiter geben kann, hab viel gesehen im Fußball.“ Solcherlei Pläne lagen auch früher schon in der Schublade: „Ich hätte auch als Co-Trainer unter Alme gearbeitet, wir hatten immer ein gutes Verhältnis bis zu dem einen Punkt. Es hat auch Gespräche diesbezüglich mit den beiden Geschäftsführern gegeben, aber das wurde nie weiter aufgewärmt. Pfeffer hätte sich „gewünscht, dass man mit offenen Karten spielt.“ Er hege aber keinen Groll mehr.
Vielleicht wird Papa Pfeffer eines schönen Tages die Tür wieder zu unchristlichen Zeiten hinter sich verschließen – diesmal mit Stoppuhr und Trillerpfeife statt mit der speckigen Sporttasche. Und die Kinder werden verstehen, dass er nicht muss, sondern immer wieder will. Dem runden Leder verpflichtet – so weit die Beine tragen.
LVZ