Bevor der Thread gänzlich vom Thema Regionalliga Nordost 2022/23 abdriftet, würde ich mal wieder einen Beitrag mit eindeutigem Sachbezug bringen...
Ich würde mich mal an einer Einschätzung der Regionalliga Nordost mit Abschlussplatzierungen versuchen. Selbstverständlich wird das nicht 1:1 so eintreffen. Aber die Tendenz wird bei vielen Mannschaften in die Richtung zeigen - so viel Sachverstand traue ich mir zu. Heute sind erst einmal nur die (aus meiner Sicht) Favoriten dran. Der Rest vom Schützenfest folgt in den Tagen bis zum Saisonstart - versprochen!
Grundsätzliches vorneweg: Ich denke, die Regionalliga Nordost wird in der kommenden Saison (zumindest in den oberen Tabellenregionen) noch spannender sein als letztes Jahr, weil die Teams in der Spitze noch ausgeglichener sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Mannschaft einsam ihre Kreise ziehen wird. Eher wird es eine relativ breite Spitzengruppe geben. Wer sich aus dieser Gruppe durchsetzt, wird dann auch etwas durch Matchglück, Verletzungen, Formentwicklung usw. entschieden. Etwas eindeutiger sieht es meiner Meinung nach in Sachen Abstiegskampf aus – dazu dann bis zum Saisonstart auch ein Beitrag (vorher kommt aber noch das "Mittelfeld").
1. Platz: FC Energie CottbusMussten natürlich einige schmerzhafte Abgänge verkraften, insbesondere in der Offensive – haben diese aber meines Erachtens insgesamt gut bis sehr gut ersetzt. Ein Fragezeichen sehe ich diesbezüglich auf der 10er-Position, wo es nicht DEN „neuen“ Pronichev gibt, sondern wo das Ganze eher durch die Mannschaftstaktik aufgefangen werden soll. Ein wichtiger Neuzugang ist in meinen Augen
Paul Milde, weil er auch ein Typ ist, der die Mannschaft (mit) führen kann.
Ansonsten ist es so, dass der Kader relativ gut ausbalanciert ist – nicht nur was die Besetzung der Positionen angeht, sondern auch das Verhältnis jung/alt und „Künstler/Arbeiter“. Dazu mit Claus-Dieter Wollitz ein sehr guter und erfahrener Coach (was fehlt, ist ein Co-Trainer) und ein begeisterungsfähiges Umfeld, das nach Erfolg lechzt.
Von allen Mannschaften für mich am ehesten diejenige, die das Label „Top-Favorit“ verdient.
2. Platz: Chemnitzer FCHaben natürlich auch ganz schön Federn lassen müssen, aber eher in der Breite – die wichtigsten Leistungsträger sind geblieben. Haben zudem einige gute Zugänge, von denen ich
Robert Berger sofort zutraue, ein Leistungsträger und Führungsspieler zu sein. Großes Potential hat aber auch Stürmer
Michel Ulrich. Zudem ist mit
Lukas Stagge ein Mentalitätsspieler gekommen, der dem CFC bislang vielleicht manchmal gefehlt hat.
Felix Brügmann hat ja schon angedeutet, dass er gut in die Mannschaft reinpasst. Spielerisch werden sie sicherlich besser sein als letztes Jahr, zudem bleiben Standards eine große Stärke des CFC. Bleibt Chemnitz diesmal von größeren Verletzungssorgen verschont und können einige Spieler ihr zweifellos großes Potential besser als bisher abrufen (
Okan Kurt,
Furkan Kircicek,
Kilian Pagliuca) traue ich ihnen zu, um die Meisterschaft mit zu spielen.
3. Platz: VSG AltglienickeIn der Defensive ist die VSG sehr gut aufgestellt – kommt Neuzugang
Charmaine Häusl wieder in Top-Form, sogar noch besser als letztes Jahr. Fragezeichen sehe ich eher in der Offensive: Dort sind mit Derflinger, den beiden Manskes, Yildirim, Hüther und Skoda viele Spieler weg, die zwar auch nicht immer geglänzt haben, die aber zweifellos eine große qualitative Lücke hinterlassen. Ob die vielen (und teils relativ namenlosen) Neuzugänge das 1:1 schließen können, ist zumindest nicht sicher.
So weit oben steht Altglienicke bei mir, weil die bislang eindrucksvolle Vorbereitung darauf hindeutet, dass es gelingen kann und weil sie mit Karsten Heine einen absoluten Trainer-Fuchs haben, der fachlich top ist und einen Erfahrungsschatz hat wie sonst nur Captain Zubasa. Kann aber auch gründlich schief gehen und nur ein Mittelfeldplatz werden am Ende.
4. Platz: 1. FC Lokomotive LeipzigUns hätte ich vor Wochenfrist noch nicht so weit oben gesehen, aber mit dem Transfer von
Tobias Dombrowa hat sich das geändert. Unsere Offensive ist nun (wenn in Form) so mit das Beste, was die Liga zu bieten hat und mit Dombrowa und einem
Osman Atilgan, der endlich in Fahrt zu kommen scheint, breit aufgestellt und schwer ausrechenbar. Zudem haben wir den Vorteil einer eingespielten Mannschaft, die auch sehr gut ausbalanciert ist. Der Abgang von Sievers dürfte mit
Isa Dogan sehr gut aufgefangen sein. Im Zentralen Mittelfeld sind wir in der Breite mit
Riccardo Grym und
Julian Weigel nun besser aufgestellt als bisher, wenngleich der Kader mit 22 Spielern immer noch sehr eng gestrickt ist. Größtes Fragezeichen sind für mich die defensiven Außen:
Eunsoo Gong und
Linus Zimmer haben Potential,
Eric Voufack und
Maik Salewski grundsätzlich Qualität. Alle vier müssen es aber auch zu 100 Prozent abrufen, um die Abgänge von Mehmedovic und vor allem Berger adäquat zu ersetzen.
Liefern die Leistungsträger um
Djamal Ziane,
Sascha Pfeffer,
Farid Abderrahmane und
Luca Sirch so gut wie letztes Jahr, entwickeln sich die „jungen Wilden“ weiter so gut und gibt es keine Verletzten-Misere, traue ich Lok zu, abermals in den Titelkampf einzugreifen. Ein Top-Favorit sind wir aus meiner Sicht aber nicht – dafür sind wir in der Spitze und in der Breite zu dünn besetzt.
5. Platz: FC Carl-Zeiss JenaVon allen (Spitzen-)Teams musste Jena die meisten und hochkarätigsten Abgänge verkraften. Gerade offensiv ist kaum ein Stein auf dem Anderen geblieben und ganz schön viel Qualität abhandengekommen. Hier überzeugen mich die Zugänge erst einmal nicht wirklich: Muiomo, Dahlke, Verkamp und Co. sind aus meiner Sicht eine Stufe schlechter als Eisele, Oesterhelweg, Wolfram usw.
Stark aufgestellt sehe ich Jena hingegen in der Defensive. Die Leistungsträger konnten dort gehalten werden – mit
Ugur Tezel (RV) und
Lukas Lämmel (vor der Abwehr) gibt es zwei starke Zugänge. Zudem scheint es so, als könnte in Jena nun ein besserer Teamgeist herrschen als im letzten Jahr, wo man von außen den Eindruck gewinnen konnte, dass nicht immer alle an einem Strang ziehen.
Greifen alle Rädchen ineinander, wird der FCC oben dabei sein – wenn nicht, wird es eine Saison im oberen Mittelfeld.
6. Platz: BFC DynamoDer Meister bei mir nur am Ende der Favoritengruppe. Dafür gibt es natürlich Gründe: Der BFC hat einfach ein Alters-Problem – und zwar auf mehreren Ebenen.
Vorneweg: Der BFC hat immer noch einen wirklich guten Kader. Mit
Matthias Hamrol ist zudem ein Keeper hinzu gekommen, der besser sein sollte als Stajila, auch die anderen Zugänge haben wenigstens Potential. Das Grundproblem, weswegen ihnen aus meiner Sicht auch in der vergangenen Saison die Puste ausgegangen ist und was sie die Relegation gekostet hat, bleibt aber – die Truppe ist zu alt. Absolute Leistungsträger wie Beck und Blum sind bereits weit über 30. Auch Brand, Schulz und Pollasch sind oder werden 30. Schaffen es diese Spieler, weitgehend verletzungsfrei und ohne Formtiefs über die Saison? Zumal man bedenken muss, dass mit dem neuen Coach Heiner Backhaus ein viel laufintensiveres Pressing praktiziert werden wird.
Noch gravierender ist aber das zweite Alters-Problem, nämlich dass bisher überhaupt nur fünf U23-Spieler im Kader sind (vier müssen in JEDEM Spiel im 18er-Kader sein). Und von den fünf (Heinrich, Zogjani, Meyer, Rücker, Tiliudis) sehe ich keinen, der eine ernsthafte Alternative auf einen Stammplatz sein dürfte. Man wird also in der nächsten Saison (wieder) eine ganze Reihe von Spielern auf der Bank sitzen haben, die man nicht wirklich bringen kann, um ein enges Spiel zu drehen oder abzusichern. Meiner Meinung nach ein gewaltiger Nachteil und eigentlich auch etwas unverständlich, wo doch gerade in Berlin junge Talente zuhauf vorhanden und für einen vergleichsweise schmalen Taler zu bekommen sind.
Trotzdem traue ich dem BFC wieder zu, in den Kampf um die Meisterschaft einzugreifen. Klappt aber nur, wenn die Schlüsselspieler fit und in Form sind – allen voran natürlich Christian Beck, mit dem das Spiel des BFC steigt und fällt.
7. Platz: Hertha BSC IIFür mich in diesem Jahr DER Geheimfavorit – auch wenn, wie bei einer Reserve üblich, viel Bewegung im Kader war. Haben mit
Derry Scherhant den Stürmer gehalten, der auf seiner Position sicherlich das größte Potential in der ganzen Liga hat und auch sonst sind einige Korsettstangen geblieben.
Vor allem aber sind viele Spieler aus der U19 aufgerückt, die enorme Qualität mitbringen: Eitschberger, Ullrich, Yildirim, Kesik und Rölke gehören auf ihren Positionen sicherlich zu den besten Talenten Deutschlands in ihrem Jahrgang. Die Frage ist natürlich immer: Wie können die jungen Talente ihr Potential aufs Spielfeld bringen? Wie verkraften sie den Sprung in den robusten Männerfußball? Wie gut kommen sie damit klar, in Cottbus, Jena oder Leipzig von mehreren tausend Zuschauern ausgepfiffen zu werden? Und: Wie wirkt sich der Zugang von Social-Media-Star
Nader El-Jindaoui, der nebenbei für diese Liga ein sehr guter Kicker ist, aus? Beflügelt das gesteigerte Medien- und Faninteresse die junge Mannschaft oder lähmt es sie?
Beantworten kann man diese Fragen jetzt noch nicht, aber klar ist: Fallen die Antworten durchweg positiv aus, traue ich Hertha sogar zu, im Kampf um die Meisterschaft mitzuspielen. In die andere Richtung kann es dann aber auch ein zweistelliger Tabellenplatz werden. Wir werden es sehen!
Seinen Verein sucht man sich nicht aus - er wird einem gegeben.